Kategorie: Für ein Europa der Völker

Auch Martin Sonneborn stimmte gemeinsam mit den Rechten, Foto: junge Welt
EU-Parlament setzt Faschismus und Kommunismus gleich. Scharfe Kritik von ehemaligen Widerstandskämpfern
Beschlüsse des Europäischen Parlaments sorgen selten für größere Aufregung – zu wenig realen Einfluss hat diese Kammer auf die Politik der EU. Deshalb hat es auch einige Tage gedauert, bis es zu Reaktionen auf eine Resolution kam, die in der vergangenen Woche von den Abgeordneten in Strasbourg verabschiedet wurde. Unter der Überschrift »Bedeutung des europäischen Geschichtsbewusstseins für die Zukunft Europas« behaupten die Parlamentarier unter anderem, dass »die kommunistische Sowjetunion und das nationalsozialistische Deutsche Reich (…) die Weichen für den Zweiten Weltkrieg stellten« und fordern »eine gemeinsame Erinnerungskultur, die die Verbrechen faschistischer, stalinistischer und anderer totalitärer und autoritärer Regime früherer Zeiten ablehnt«. Man versteigt sich sogar zu der Aussage, dass Russland »noch immer das größte Opfer des kommunistischen Totalitarismus« sei und »so lange kein demokratischer Staat« werde, »wie die Regierung, die politische Elite und die politische Propaganda nicht nachlassen, die kommunistischen Verbrechen zu verharmlosen und das totalitäre Sowjetregime zu verherrlichen«. Befürwortet werden in dem Papier das Verbot kommunistischer Symbole und das Entfernen von Mahnmalen, die an die Befreiung Europas durch die Rote Armee erinnern.
Das sei ein »ideologischer Rückfall in die schlimmsten Zeiten des Kalten Krieges«, reagierte die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) am Montag in einer Stellungnahme auf die Resolution. Die in der Resolution vorgenommene Rekonstruktion der Ereignisse, die zum Zweiten Weltkrieg führten, sei »verbohrt, voreingenommen, instrumentell und hat keine wissenschaftliche Grundlage«. Der Text »setzt die Unterdrücker und Unterdrückten, Opfer und Schlächter, Eindringlinge und Befreier gleich«. Der russische Außenminister Sergej Lawrow ging in einem am Freitag in der Zeitschrift Russia in Global Politics veröffentlichten Beitrag nur indirekt auf den Parlamentsbeschluss ein: »Was Europa betrifft, kommen die Kümmerer einer liberalen Idee ziemlich gut mit Massenverletzungen der Rechte der russischsprachigen Bevölkerung in mehreren Ländern der EU und ihrer Nachbarn aus.«

Collage: Krieg-Eu-Kommissions-Präsi, Basis-Foto: „uz“
Dafür reicht‘s noch: Von der Leyen an der Spitze Deutsch-Europas
Dass es das EU-Parlament war, das am vergangenen Dienstag Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin wählen durfte, täuscht über das Entscheidende hinweg: Trotz Parlamentstheater sind es die größten Mächte Deutschland und Frankreich, die den Kurs der EU bestimmen.
Klassischer bürgerlicher Parlamentarismus bedeutet: Verschiedene politische Richtungen sind im Parlament vertreten, sie handeln einen Kompromiss aus, bis eine Person, die diesen Kompromiss verkörpert, zum Regierungschef gewählt werden kann. Das EU-Parlament konnte von der Leyen nur bestätigen oder ablehnen. Die eigentliche Entscheidung war unter den Regierungschefs gefallen: Ein Personaltableau, das die Aufteilung mehrerer Spitzenämter sorgfältig nach den Machtverhältnissen austariert – unter anderem soll die Französin Christine Lagarde die Europäische Zentralbank leiten.
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Die Zusammenarbeit in der EU ist ein Bollwerk gegen den Rechtsruck in Europa?
„Wir müssen die EU bei aller Kritik verteidigen, sonst überlassen wir den Rechten die Parlamente“, so lautet ein verbreitetes Argument – auch unter Linken.
Wir als DKP sehen die EU als eine Ursache für die Rechtsentwicklung in der EU – nicht die einzige Ursache, aber eine wesentliche.
Die EU steht für Konkurrenz unter den Ausgebeuteten. Sie erleichtert das Ausspielen der arbeitenden Menschen gegeneinander – in den verschiedenen EU-Ländern, aber auch in den Nicht-EU-Ländern im Verhältnis zu den EU-Ländern.
Die Dienstleistungsfreiheit der EU ermöglicht deutschen Unternehmern unter anderem, Subunternehmer aus dem EU-Ausland einzusetzen. Faktisch unterlaufen sie damit Tarifverträge und arbeitsrechtliche Regelungen.
Die EU nimmt Millionen Menschen die Perspektive und drängt sie in Armut. Gleichzeitig lenkt sie vom Kapitalismus als Verursacher ab. Viele Menschen sind ohne Zukunftsperspektive, haben berechtigte Angst vor dem sozialen Abstieg. Rechte behaupten EU-kritisch zu sein und kanalisieren den Unmut. Real stehen sie für den Kapitalismus und die Stärkung der EU.
In der Kombination mit der Projektion dieser Ängste auf die „EU-Bürokraten“ ist das ein guter Nährboden für Rechtskräfte. Doch das „Diktat aus Brüssel“ ist in Wirklichkeit ein Diktat aus Berlin.

Proteste gegen die Bolkestein-Richtlinie 2006. Foto: „uz“